Christian Ahmels

2. Tag: Dienstag, 23. August

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Am Tag vorher befürchtete ich das Schlimmste für heute: Dass Körper und Motivation am ersten Tiefpunkt angelangt sind. In der Nacht hatte der Körper einiges zu tun, um zu regenerieren. Dementsprechend hatte ich am Morgen keine rechte Lust auf Weiterfahren. Zumal ich auf der Straßenkarte keine tolle Route Richtung Fulda, sprich Nord-West, gefunden habe. Die meisten Verbindungen gehen Nord-Süd oder Ost-West. Bei der Bundesstraße B286 weiß ich nicht, ob Radwege entlang führen.
Auf jeden Fall wartet perfektes Sommerwetter auf mich. Leider bemerke ich durch Juckreiz, dass mein linkes Bein einen ordentlichen Sonnenbrand abbekommen hatte - das ist der Beginn für regelmäßiges Eincremen, eigentlich beim Fahrradfahren unerlässlich.
Nach dem Frühstück schiebe ich erst einmal mein Rad durch die Stadt. Premiere für Google Maps Navigator Typ "Rad". Das ging ein paar Hundert Meter gut, dann hatte ich wegen permanenter Routenänderung kein Vertrauen mehr. Ich weiß ja auch nicht, was mich da an Wegen erwartet.

Ich entscheide mich für die Straße nach Wittershausen. Dazu geht's durch die Weststadt, am Ende ordentlich bergauf. Heute steht die Rhön und eventuell das Vogelgebirge auf dem Plan. Das wird sicherlich von den Höhenbewältigungen der schwerste Tag der Route. Damit ist zusätzlichen Problemen konsequent aus dem Weg zu gehen.
Das erste Problem zeigt sich bereits in Bad Kissingen durch ein Baustellenschild. Nach Rückfrage bei einem Passanten muss ich tatsächlich einen Umweg über Aura an der Saale nehmen, da die komplette Straße aufgerissen ist. Und das ganze über einen sogenannten "Radweg im Wald". Das kann ja heiter werden.
Und so kommt es auch. Im Wald geht es richtig hoch, zum Glück vor der Sonne geschützt. Auch ein Waldweg hat mal ein Ende, zwischendurch kann ich Passagen langsam fahren. Der Blick über die Landschaft macht die Strapazen wieder wett. Es geht schließlich bergab ins Dorf, vorher eine Baustelle mit 1 Meter Durchweg (den muss ich 2x durchlaufen)

Freundlicherweise korrigiert ein älterer Fußgänger meine falsche Orientierung. Ich bin in Aura, nicht schon in Wittershausen. Er bewahrt mich vor weiteren Umwegen.

Nach steilem Wiederanstieg geht es vernünftig durch die Rhön mit kleineren Höhen und Tiefen. Die Dörfer liegen üblicherweise im Tal, das bedeutet immer wieder Schieben danach auf den nächsten Hügel.

Direkt vor Hassenbach wähle ich den Waldweg Richtung Nord-West. Wenn schon bergauf, dann wenigstens im Schatten. Der stetige Anstieg zog sich über mehrere Kilometer, die Qualität zum Fahren nicht immer geeignet. Zum Schluss des Berges führt der Weg über die Autobahn.
Direkt dahinter zweigt ein Radweg ab nach Bad Brückenau. Genau, da will ich hin.
Vor Schönderling erblicke ich die Straße wieder. Straße bzw. Radweg führen asphaltiert direkt nach Bad Brückenau. Auf der St2790 nimmt der Verkehr zu, bleibt aber im Rahmen. Das letzte Stück verläuft zum Glück schön bergab.
Vor der Stadt geht's nach links zum Staatsbad, es bleibt belebt aber gut zu fahren.

Es gibt wieder was für's Auge - schöne Gebäude zu bestaunen, bevor der nächste Berg ruft. Und der steht bereits direkt vor mir.

Es geht ordentlich hoch, aber im schützenden Wald. Schließlich kommt das nächste Dorf in meinen Blick: Natürlich unten im Tal, die Straße kann ich auf den kommenden Hügel weiterverfolgen.

Zeit für eine Rast. Die Motivation ist wieder voll zurückgekehrt, trotz des permanenten Auf und Ab. Wenigstens gibt es ausreichend Gelegenheit, mal ordentlich zu Fluchen, ohne jemandem zu schaden.

Die Landschaft ist lieblich und beruhigend und erinnert mich ein wenig an das Hintergrundbild von Windows XP - auch wenn das System nicht beruhigend wirkt.
Ich befinde mich auf einer ruhigen Landstraße vor Schwarzenfels.

Burg Schwarzenfels in seiner vollen Pracht. Die Straße bietet aufgrund ihrer Länge und Windungen ausreichend Gelegenheiten, das Panorama zu genießen. Das entschädigt voll für die bisherigen Mühen. In die Gegenrichtung möchte ich jetzt nicht fahren/schiebn wollen.

Die Gegend ist eine Augenweide. Nach Mottgers geht es fürchterlich bergauf bei sengender Hitze. Vor dem Finale entdecke ich glücklicherweise etwas abseits einen Radweg, der mir die Autos fern hält.
Vor Sterbfritz zurück auf der Straße geht es bequem nach Schlüchtern. Dort angekommen nehme ich erstmal einen Gang zurück und schieb gemütlich durch die Innenstadt. Ein nettes Örtchen mit Flair.
Nach der Erholung schlage ich den Weg nach Kressenbach ein. Es geht wieder hoch, aber das kenne ich ja schon. Bei Schmidmühle stoße ich auf die L3179. Problem Nummer 2 taucht auf: Auf dem Schild ist ein Baustellensymbol sichtbar. Ich zücke die Karte für ein intensives Studium. Die Alternativen sind übersichtlich.
Plötzlich taucht neben mir ein Radfahrer auf und fragt, ob er mir helfe könne, wohin ich wolle. Schließlich kann er mich beruhigen, die Straße ist frei befahrbar, es gibt nur örtliche Waldarbeiten. Nachdem er hörte, welches Etappenziel ich anpeilen möchte, gab er mir noch einen tollen Tipp: Der Vulkanradweg, etwas versteckt aber lohnenswert.
Ich verfolge ihn für etliche Kilomter bis vor Freiensteinau, immer mit einigen Metern Abstand. Die großen Hügel scheinen vorbei zu sein, die Straße ist einfach zu fahren mit akzeptablem Verkehr.
Ich erreiche schließlich Freiensteinach und entdecke dort ein Restaurant mit Außensitzgelegenheit. Genau richtig für eine ausgiebige Stärkung vor der Schlussetappe. Außerdem kann ich die Flaschen mit neuem Mineralwasser auffüllen.
Nach dem schmackhaftem Mal geht's wieder auf den Sattel. Laut dem Radfahrer steht mir noch eine Anhöhe bei Nieder-Moos bevor. Damit hat er Recht, aber gegenüber dem bisherigen eine kleinere Aufgabe. Nach dem Waldstück geht es bergab bis nach Grebenhain.

Hier gilt es, den besagten Vulkanradweg zu finden, der mich auf einfache Weise bis nach Lauterbach, mein ambitioniertes Tagesziel, bringen soll. Der Weg ist wirklich gut versteckt und kaum beschildert, eigentlich nur von Grebenhain kommend zu finden. Der Weg ist das Ergebnis der Asphaltierung einer ehemaligen (einspurigen) Bahnstrecke. Super Idee. Damit ist klar, dass der Weg dem Radfahrer kaum etwas abverlangt außer eventueller Gegenwind.
Bis auf ein unentdecktes Schlagloch ist der Weg phantastisch zu fahren und wird auch genutzt von den Leuten. In Herbstein beschließe ich, dort übernachten zu wollen. Der Ort sollte ja von seiner Größe und Erscheinung her genügend Hotels bieten. Das stellt sich allerdings als Trugschluss heraus. Am Ende finde ich nach Fragerei eines, jedoch letztlich zu teuer für die gebotene Qualität.
Auch dieser Tag machte mich fertig.